„Wann ist die Corona-Krise endlich wieder vorbei? Ich halt’s nicht mehr aus.“ Das denken sich aktuell bestimmt viele von uns. Da uns die Pandemie noch länger beschäftigen wird, habe ich mir folgende Frage gestellt: Wie können wir die Zeit trotz aktueller Bedingungen gut überstehen?
In meinem letzten Blog habe ich mich mit dem Thema befasst, wie die Krise auf unsere Psyche wirkt. Aufbauend darauf beschäftige ich mich heute mit 10 Tipps, die dir helfen können, die Corona-Zeit mental besser zu überstehen.
1. Struktur und Halt durch neue Routinen schaffen
Bestehende Routinen sind von heute auf morgen weg – Unsicherheit, Überforderung, aber auch Langeweile sind mögliche Begleiter. In Veränderungen ist es besonders wichtig, Anhaltspunkte zu schaffen, die Halt, Stabilität und Sicherheit geben.
Sei kreativ und schaffe neue Routinen – Welche Möglichkeiten für Routinen ergeben sich durch die neuen Rahmenbedingungen für dich? Hier ein paar Beispiele zur Inspiration:
- Täglich gemeinsames Frühstück mit deinem:r Partner:in (das vielleicht vorhin aufgrund des stressigen Berufsalltages nicht möglich war)
- Vor dem Frühstück täglich 15 Minuten um den Block laufen
- 10 Liegestütze oder 10 Minuten Yoga gleich nach dem Aufstehen neben dem Bett (Bewegung und Sport schafft ein gutes Körpergefühl und baut Stress ab)
- Routine im Home-Office: Auch im flexiblen Home-Office kannst du für Routine sorgen
- Tägliches Mittag- und Abendessen um die gleiche Zeit
- Täglich frisch kochen: Lass dich von einfachen Rezepten inspirieren (gesunde Ernährung wirkt sich auch positiv auf unsere psychische Gesundheit aus)
- Abendroutine entwickeln (und besser schlafen)
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Routinen und Gewohnheiten können in Stresszeiten eine wichtige Rolle spielen.
– Daniela Zahn, Psychologin der Johannes Gutenberg-Universität –
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2. Nutze digitale Medien für den sozialen Austausch
Unser soziales Umfeld wurde durch die Maßnahmen stark eingeschränkt. Da persönliche Treffen zum Großteil nicht möglich sind, nutze digitale Medien, um deine sozialen Bedürfnisse trotzdem zu erfüllen:
- Täglich Mama oder Papa via Videocall anrufen
- Sonntags-Familien-Treffen einfach via Webmeeting abhalten.
- Den Afterwork-Austausch mit Kolleg:innen einfach telefonisch stattfinden lassen
Und alle diese sozialen Kontakte kannst du gleich in deine neuen Routinen integrieren. Zwei Fliegen mit einer Klatsche. 🙂
3. Notfallplan: Eigene Ressourcen nutzen
Du merkst, dass du mit einer Vielzahl an Gefühlen konfrontiert bist und bist auf der Suche nach gesunden Bewältigungsstrategien? Da du selbst der Experte für dich und dein Leben bist, höre in dich hinein, was dir persönlich dabei helfen könnte.
10-Minuten-Übung: „Was tut mir gut?“
Mit dieser Übung erstellst du dir im Handumdrehen deine persönliche „Tut-mir-gut-Liste“. Wie funktioniert’s?
- Nimm dir 10 Minuten Zeit
- Schnapp dir einen A4 Zettel.
- Gehe kurz in dich und stell dir folgende Frage: „Was tut meinem Körper und Geist gut?“
- Schreibe diese 10 Punkte auf den A4 Zettel und hänge ihn an einem Ort auf, wo du ihn regelmäßig sehen kannst (z. B. Kühlschrank)
- Fertig.
Damit hast du schnell und einfach deinen persönlichen „Notfallplan“ erstellt. Solltest du mit deinem Alltag, deiner Situation oder deinen Gefühlen konfrontiert oder überlastet sein, schnappst du dir einen „Tut-mir-gut“-Punkt von deiner persönlichen Liste.
Wenn du deine 10 persönlichen Punkte ausprobierst, kannst du sie danach zusätzlich bewerten. So erstellst du ergänzend ein Ranking für deine Favoriten in schweren Zeiten.
Hier ein paar mögliche Ideen für dich:
- Bewegung im Freien (Bewegung wirkt sich positiv auf den Stresslevel des Körpers aus)
- Home-Workout (Online findest du einfache Anleitungen, wie du zu Hause trainieren kannst)
- Mit Freunden sprechen (Telefonat oder Videocall mit deinem:deiner besten Freund:in)
- Netflix & Chill (Einfach mal 1-2 Stunden entspannen und eine Serie oder einen Film genießen)
- Ehrenamtlich beschäftigen (Du suchst einen Sinn in der aktuellen Krise? Viele Organisationen suchen nach ehrenamtlichen Unterstützern. Auf Plattformen wie der Ehrenamtsbörse oder der Website deiner Stadt, wie z .B. der Stadt Wien, findest du ein großes Angebot an verschiedensten Tätigkeiten)
- Aufräumen & Ausmisten (Die Wohnung, das Haus oder den Kleiderschrank aufräumen. Auszumisten kann positive Wirkung auf das innere Wohlbefinden haben. Oft fühlt man sich danach freier, geordneter und ist stolz auf das Endresultat.)
- Kreativ sein (Male ein Bild. Schreibe einen Song. Musiziere. Kreiere Ideen für deinen Job oder dein Business. Bau dir eine Sitzlounge für deinen Garten. Pflanze schöne Blumen für deinen Balkon.)
- Schreiben (Seine Gedanken niederzuschreiben hilft diese zu sortieren und zu reflektieren)
- Meditieren oder Yoga
- Gefühle herauslassen (durch zum Beispiel weinen, schreien oder lachen)
All das sind Gedankenanstöße für deine persönliche „Tut-mir-gut“-Liste. Du selbst spürst, was dir gut tut.
4. Angst & Panik? Ruhe bewahren & Klarheit durch Informationen
Du bist von Kurzarbeit betroffen, hast deinen Job verloren oder als Unternehmer plötzlich keine Einkünfte? Gedanken über deine finanzielle und wirtschaftliche Zukunft verunsichern dich? Verunsicherung, Ängste und Sorgen können mögliche Begleiter in dieser herausfordernden Lage sein. Das ist vollkommen menschlich. Was kannst du in dieser Situation tun?
Ruhe bewahren. Atmen. Konzentriere dich auf deinen Atem. Atme langsam ein, langsam wieder aus. Lege währenddessen deine Handfläche auf deinen Brustkorb. Spüre wie sich dein Brustkorb durch das Ein- und Ausatmen hebt und senkt. Durch die Konzentration auf das Atmen hast du einerseits die Möglichkeit den Fokus von deinen Gedanken auf deinen Körper und das Jetzt zu legen, andererseits kannst du dadurch ruhiger werden.
Informationen schaffen Klarheit und Sicherheit: Hole Informationen aus sicheren Quellen ein. Nehmen wir das oben angeführte Beispiel der Sorgen um Geld, Job und wirtschaftliche Zukunft. Welche Anlaufstellen für die Informationsbeschaffung könnte es hier geben? Geht es um deinen Job(verlust)? Sprich mit deinem Arbeitgeber oder kontaktiere das AMS. Du bist Unternehmer? Deine erste Anlaufstelle könnte die Wirtschaftskammer Österreich sein.
5. Gezielter Konsum von Nachrichten und Informationen
Eine Vielzahl an Informationen über die Pandemie, Statistiken über Erkrankte und Todesfälle von Corona, Informationsflut in den sozialen Medien. – Gibt es einen gesunden Zugang zur Informationsüberflutung? Meine Empfehlung ist ein gezielter Konsum von Nachrichten.
Du möchtest täglich informiert sein? Setze dir eine feste Uhrzeit (z. B. täglich um 22:00 Uhr), einen festgelegten Zeitraum (z. B. 30 Minuten) und eventuell auch ein festgelegtes Medium (z. B. ZIB 2, ORF) für die Informationsbeschaffung. Bei der Auswahl der Quellen lade ich dich ein, eher auf offizielle Informationen vom Bundesministerium und Qualitätsmedien zurückzugreifen, um Verunsicherung durch Verschwörungstheorien und Fake-News vermeiden zu können.
6. Gedankenkarussell? Schreib’s auf.
Dein Kopf lässt dir keine Ruhe? Gedanken über die aktuelle Situation oder die Zukunft beschäftigen dich non-stop?
- Wie geht es weiter?
- Wann ist die Krise endlich vorbei?
- Wie viele Menschen müssen noch sterben?
- Ich drehe zu Hause durch. Ich will endlich raus.
- Wie wird sich die Wirtschaft entwickeln?
- Werde ich in Zukunft meine Rechnungen zahlen können?
Was tun mit den vielen Gedanken, die uns aktuell aufgrund der neuen und herausfordernden Situation beschäftigen? Schreib sie auf! Deine Gedanken aufzuschreiben, kann einerseits helfen diese zu strukturieren, andererseits diese reflektiert zu betrachten. Zusätzlich kann das Aufschreiben eine gute Vorbereitung und Vorab-Analyse deiner Themen für ein mögliches Beratungsgespräch sein.
7. Achterbahn der Gefühle? sprich drüber!
Über belastende Situationen, Erlebtes, Gefühle und Gedanken zu sprechen, kann erleichternd und entlastend wirken. Sprich mit deinen engen Freunden, deiner Familie oder deiner wichtigsten Bezugsperson darüber. Auch ich bin gerne im Rahmen einer Beratung für dich da, um in einem professionellen Rahmen darüber zu sprechen.
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Wenn Menschen negative Emotionen aussprechen, dann dämpft das Denkorgan offenbar Ärger oder Traurigkeit.
– Der Spiegel –
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8. Veränderung zulassen
Du kannst die Situation (größtenteils) nicht ändern. Den Umgang mit der Situation jedoch schon. Du fühlst dich ohnmächtig und handlungsunfähig? Alle Emotionen im Rahmen der Krise sind nachvollziehbar und dürfen sein. Du bist nicht alleine damit. Dadurch, dass die aktuelle Corona-Krise nahezu die gesamte Weltbevölkerung betrifft, geht es vielen ähnlich wie dir.
Was tun? Grundsätzlich haben wir in dieser Situation (verglichen mit unserem Leben „vor der Krise“) wenig Handlungsspielraum. Wir, als einzelne Person, können das Virus nicht „deaktivieren“ und die Ausbreitung nicht ungeschehen machen. Im ersten Schritt ist also Folgendes wichtig:
1. die situation akzeptieren
Anerkennen, dass die Situation für viele von uns einfach „scheiße“ ist. Scheiß Virus. Scheiß Ausbreitung. Scheiß Ansteckungsgefahr. Scheiß Auswirkungen auf die Wirtschaft. Scheiß Auswirkungen auf unsere Bewegungsfreiheit. Scheiß Einflüsse auf unser Privatleben. Scheiße, dass uns in vielen Punkten dieser Situation die Hände gebunden sind.
Das mal laut auszusprechen kann schon mal beruhigen, entlasten und durchatmen lassen.
Jedoch sind uns nicht zur Gänze die Hände gebunden. Jede:r einzelne kann ihren:seinen Teil dazu beitragen, um die Situation zu verbessern. Somit kommen wir schon zum nächsten Punkt.
2. Handlungsfähig bleiben
Nutze die Möglichkeiten und Chancen, die uns im Rahmen der aktuellen Handlungsfähigkeit noch offen stehen. Zuerst, Maßnahmen der Regierung zur Ausbreitung des Virus einhalten. Dadurch schaust du nicht nur auf dich, sondern auch auf deine Mitmenschen und kannst somit durch deine Handlungen möglicherweise ein schnelleres Ende der Krise bewirken. (= Dein Beitrag gegen das Virus). Wenn du dadurch auch das Leben von Anderen positiv beeinflussen kannst, gibt dir das auch einen möglichen Sinn für deine Handlungen („Ich halte mich an die Maßnahmen gegen die Ausbreitung = Ich rette möglicherweise Leben“).
3. Was kannst du (noch) tun?
Viele setzen ihre Stärken aktuell ein, um einen positiven Beitrag im Rahmen der Krise zu leisten. Forscher entwickeln Impfstoffe und Medikamente. Freiwillige Zivildiener unterstützen im Systembetrieb. Unternehmen gestalten kurzfristig Ihre Geschäftsmodelle um (kurzfristige Produktion von Mund-Nasen-Masken). Talentierte Näher:innen schneidern selbstgestaltete Masken für die Allgemeinheit. Wohltätige Vereine gründen sich, um in verschiedenen Bereichen zu unterstützen.
Was sind deine Stärken? Wie kannst du, in deinem Rahmen der Handlungsfähigkeit, unterstützen? Hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, um von der Ohnmacht wieder in die (Mit-)Gestaltung zu gelangen.
9. Gefühle sprechen lassen anstatt zu verdrängen
Deine Gefühle melden sich immer wieder und du würdest diese am besten abschalten oder verdrängen? Lass sie sprechen und höre was sie dir sagen wollen. 🙂
Stell dir Fragen wie zum Beispiel:
- Wofür steht dieses Gefühl?
- Was möchte es mir sagen?
- Warum ist dieses Gefühl gerade da?
- Was war der Auslöser?
- Was würde das Gefühl sagen, wenn es sprechen könnte?
10. Durchhalten: Es wird wieder besser werden
Zu guter Letzt: Durchhalten. Auch wenn es momentan noch etwas unrealistisch klingt oder das Ende der Pandemie noch weit in der Ferne liegt. Auch diese Krise wird irgendwann zu Ende gehen. Halten wir durch, versuchen wir aus den aktuellen Situationen zu lernen und gehen wir gestärkt, verändert und mit neuen Erfahrungen aus der Krise in unsere Zukunft.
Ausblick: Was geht, was bleibt?
Langfristige mentale Auswirkungen von Covid-19: Mit dem Schwerpunkt, welche langfristigen Auswirkungen die aktuelle Corona-Situation auf unsere Psyche haben kann, beschäftige ich mich in einem meiner nächsten Blogs:
- Wie verändert die Krise unser zukünftiges Leben und Verhalten?
- Was lernen unsere Kinder über soziale Kontakte im Zeitraum der Krise?
- Welche Glaubenssätze könnten sich in unserem Unterbewusstsein verankern? (z. B. „Nähe kann tödlich sein.“)
- Social Distancing: Wie lange wird die soziale Distanz anhalten? Werden wir Angst vor Nähe haben? (Wann) werden wir Nähe wieder zulassen (können)?
- Was wird das Thema Nähe mit unserer Gesellschaft machen? (Bsp: Nähe in öffentlichen Verkehrsmitteln, Restaurants, Bars, Events)
- Was passiert mit uns, wenn der Druck und die Anspannung (vor allem bei aktuell besonders geforderten Berufen) nachlässt? Treten Überlastungserscheinungen erst verspätet/verzögert auf?
- Das Corona-Virus wird (hoffentlich) gehen. Die Trauer über Verstorbene wird jedoch bleiben. Wie gehen wir mit dieser Trauer um?
Unter anderem diesen Fragen werde ich mich in meinem kommenden Artikel zuwenden. Du möchtest diesen nicht verpassen? Melde ich jetzt für den kostenlosen Newsletter an.
Fazit
Es gibt aktuell viele Faktoren (akute Veränderungen im Beruf, Belastungssituationen im Privatleben, belastende Gefühle und Gedanken), die uns beschäftigen können. Für viele dieser Faktoren gibt es Maßnahmen und Handlungsspielräume („Tut-mir-gut“-Notfallplan, neue Routinen, Stärken konstruktiv einsetzen), die viele von uns nutzen können, um diese Zeit mental gut zu überstehen.
Wichtig ist, dass aufkommende und belastende Gedanken und Gefühle wahrgenommen, anerkannt und ein für sich passender Umgang damit gefunden wird (reden mit dem Umfeld oder in einem professionellen Setting, schreiben, Bewegung, kreative Verarbeitung durch Malen oder Musizieren). Schau auf dich – auch mental!
Philipp
Werderits, BA
Was mache ich als Psychologischer Berater i.A.u.S.¹?
Ich begleite Menschen in deren persönlichen Entwicklungsprozessen: Durch Gespräche finden wir in belastenden Situationen zu Erleichterung und Entlastung. Durch verschiedene Blickwinkel erarbeiten wir neue Lösungswege für aktuelle Probleme und Herausforderungen. Durch Analyse der eigenen Stärken entfalten wir gemeinsam persönliche Potentiale.
Meine Sicht & meine persönliche Wahrnehmung
Der Inhalt dieses Blogs ist meine persönliche Sicht zu diesem Thema im Rahmen der Corona-Krise. Der Text ist aufgebaut auf meine persönlichen Erfahrungen, meine persönliche Wahrnehmung, aber auch belegtes Fachwissen. Ich freue mich über eine Diskussion mit dir, um inhaltliche Aspekte auch von anderen Blickwinkeln beleuchten zu können.
[1] in Ausbildung unter Supervision