10 Tipps um Corona mental besser zu überstehen

Mann hält Hand mit Mund-Nasen-Maske in die Luft nach Psychologischer Beratung in Graz

„Wann ist die Corona-Krise endlich wieder vorbei? Ich halt’s nicht mehr aus.“ Das denken sich aktuell bestimmt viele von uns. Da uns die Pandemie noch länger beschäftigen wird, habe ich mir folgende Frage gestellt: Wie können wir die Zeit trotz aktueller Bedingungen gut überstehen?

In meinem letzten Blog habe ich mich mit dem Thema befasst, wie die Krise auf unsere Psyche wirkt. Aufbauend darauf beschäftige ich mich heute mit 10 Tipps, die dir helfen können, die Corona-Zeit mental besser zu überstehen.

1. Struktur und Halt durch neue Routinen schaffen

Mann kocht und Frau umarmt ihn von hinten

Bestehende Routinen sind von heute auf morgen weg – Unsicherheit, Überforderung, aber auch Langeweile sind mögliche Begleiter. In Veränderungen ist es besonders wichtig, Anhaltspunkte zu schaffen, die Halt, Stabilität und Sicherheit geben.

Sei kreativ und schaffe neue Routinen – Welche Möglichkeiten für Routinen ergeben sich durch die neuen Rahmenbedingungen für dich? Hier ein paar Beispiele zur Inspiration:

  • Täglich gemeinsames Frühstück mit deinem:r Partner:in (das vielleicht vorhin aufgrund des stressigen Berufsalltages nicht möglich war)
  • Vor dem Frühstück täglich 15 Minuten um den Block laufen
  • 10 Liegestütze oder 10 Minuten Yoga gleich nach dem Aufstehen neben dem Bett (Bewegung und Sport schafft ein gutes Körpergefühl und baut Stress ab)
  • Routine im Home-Office: Auch im flexiblen Home-Office kannst du für Routine sorgen
  • Tägliches Mittag- und Abendessen um die gleiche Zeit
  • Täglich frisch kochen: Lass dich von einfachen Rezepten inspirieren (gesunde Ernährung wirkt sich auch positiv auf unsere psychische Gesundheit aus)
  • Abendroutine entwickeln (und besser schlafen)

Routinen und Gewohnheiten können in Stresszeiten eine wichtige Rolle spielen.

– Daniela Zahn, Psychologin der Johannes Gutenberg-Universität –

2. Nutze digitale Medien für den sozialen Austausch

Frau schaut auf Handy und lächelt bei psychologischer Online-Beratung in Graz

Unser soziales Umfeld wurde durch die Maßnahmen stark eingeschränkt. Da persönliche Treffen zum Großteil nicht möglich sind, nutze digitale Medien, um deine sozialen Bedürfnisse trotzdem zu erfüllen:

  • Täglich Mama oder Papa via Videocall anrufen
  • Sonntags-Familien-Treffen einfach via Webmeeting abhalten.
  • Den Afterwork-Austausch mit Kolleg:innen einfach telefonisch stattfinden lassen

Und alle diese sozialen Kontakte kannst du gleich in deine neuen Routinen integrieren. Zwei Fliegen mit einer Klatsche. 🙂

3. Notfallplan: Eigene Ressourcen nutzen

Mann fährt mit Fahrrad durch Straßen in den Bergen

Du merkst, dass du mit einer Vielzahl an Gefühlen konfrontiert bist und bist auf der Suche nach gesunden Bewältigungsstrategien? Da du selbst der Experte für dich und dein Leben bist, höre in dich hinein, was dir persönlich dabei helfen könnte.

10-Minuten-Übung: „Was tut mir gut?“

Mit dieser Übung erstellst du dir im Handumdrehen deine persönliche „Tut-mir-gut-Liste“. Wie funktioniert’s?

  1. Nimm dir 10 Minuten Zeit
  2. Schnapp dir einen A4 Zettel.
  3. Gehe kurz in dich und stell dir folgende Frage: „Was tut meinem Körper und Geist gut?“
  4. Schreibe diese 10 Punkte auf den A4 Zettel und hänge ihn an einem Ort auf, wo du ihn regelmäßig sehen kannst (z. B. Kühlschrank)
  5. Fertig.

Damit hast du schnell und einfach deinen persönlichen „Notfallplan“ erstellt. Solltest du mit deinem Alltag, deiner Situation oder deinen Gefühlen konfrontiert oder überlastet sein, schnappst du dir einen „Tut-mir-gut“-Punkt von deiner persönlichen Liste.

Wenn du deine 10 persönlichen Punkte ausprobierst, kannst du sie danach zusätzlich bewerten. So erstellst du ergänzend ein Ranking für deine Favoriten in schweren Zeiten.

Fernseher mit Netflix Logo
Hanteln liegen auf dem Boden

Hier ein paar mögliche Ideen für dich:

  • Bewegung im Freien (Bewegung wirkt sich positiv auf den Stresslevel des Körpers aus)
  • Home-Workout (Online findest du einfache Anleitungen, wie du zu Hause trainieren kannst)
  • Mit Freunden sprechen (Telefonat oder Videocall mit deinem:deiner besten Freund:in)
  • Netflix & Chill (Einfach mal 1-2 Stunden entspannen und eine Serie oder einen Film genießen)
  • Ehrenamtlich beschäftigen (Du suchst einen Sinn in der aktuellen Krise? Viele Organisationen suchen nach ehrenamtlichen Unterstützern. Auf Plattformen wie der Ehrenamtsbörse oder der Website deiner Stadt, wie z .B. der Stadt Wien, findest du ein großes Angebot an verschiedensten Tätigkeiten)
  • Aufräumen & Ausmisten (Die Wohnung, das Haus oder den Kleiderschrank aufräumen. Auszumisten kann positive Wirkung auf das innere Wohlbefinden haben. Oft fühlt man sich danach freier, geordneter und ist stolz auf das Endresultat.)
  • Kreativ sein (Male ein Bild. Schreibe einen Song. Musiziere. Kreiere Ideen für deinen Job oder dein Business. Bau dir eine Sitzlounge für deinen Garten. Pflanze schöne Blumen für deinen Balkon.)
  • Schreiben (Seine Gedanken niederzuschreiben hilft diese zu sortieren und zu reflektieren)
  • Meditieren oder Yoga
  • Gefühle herauslassen (durch zum Beispiel weinen, schreien oder lachen)

All das sind Gedankenanstöße für deine persönliche „Tut-mir-gut“-Liste. Du selbst spürst, was dir gut tut.

4. Angst & Panik? Ruhe bewahren & Klarheit durch Informationen

Mann benützt Tablet, auf dem Nachrichten zu sehen sind

Du bist von Kurzarbeit betroffen, hast deinen Job verloren oder als Unternehmer plötzlich keine Einkünfte? Gedanken über deine finanzielle und wirtschaftliche Zukunft verunsichern dich? Verunsicherung, Ängste und Sorgen können mögliche Begleiter in dieser herausfordernden Lage sein. Das ist vollkommen menschlich. Was kannst du in dieser Situation tun?

Ruhe bewahren. Atmen. Konzentriere dich auf deinen Atem. Atme langsam ein, langsam wieder aus. Lege währenddessen deine Handfläche auf deinen Brustkorb. Spüre wie sich dein Brustkorb durch das Ein- und Ausatmen hebt und senkt. Durch die Konzentration auf das Atmen hast du einerseits die Möglichkeit den Fokus von deinen Gedanken auf deinen Körper und das Jetzt zu legen, andererseits kannst du dadurch ruhiger werden.

Informationen schaffen Klarheit und Sicherheit: Hole Informationen aus sicheren Quellen ein. Nehmen wir das oben angeführte Beispiel der Sorgen um Geld, Job und wirtschaftliche Zukunft. Welche Anlaufstellen für die Informationsbeschaffung könnte es hier geben? Geht es um deinen Job(verlust)? Sprich mit deinem Arbeitgeber oder kontaktiere das AMS. Du bist Unternehmer? Deine erste Anlaufstelle könnte die Wirtschaftskammer Österreich sein.

5. Gezielter Konsum von Nachrichten und Informationen

Frau liest Zeitung

Eine Vielzahl an Informationen über die Pandemie, Statistiken über Erkrankte und Todesfälle von Corona, Informationsflut in den sozialen Medien. – Gibt es einen gesunden Zugang zur Informationsüberflutung? Meine Empfehlung ist ein gezielter Konsum von Nachrichten.

Du möchtest täglich informiert sein? Setze dir eine feste Uhrzeit (z. B. täglich um 22:00 Uhr), einen festgelegten Zeitraum (z. B. 30 Minuten) und eventuell auch ein festgelegtes Medium (z. B. ZIB 2, ORF) für die Informationsbeschaffung. Bei der Auswahl der Quellen lade ich dich ein, eher auf offizielle Informationen vom Bundesministerium und Qualitätsmedien zurückzugreifen, um Verunsicherung durch Verschwörungstheorien und Fake-News vermeiden zu können.

6. Gedankenkarussell? Schreib’s auf.

Auf Tisch liegt Notizbuch und Kugelschreiber

Dein Kopf lässt dir keine Ruhe? Gedanken über die aktuelle Situation oder die Zukunft beschäftigen dich non-stop?

  • Wie geht es weiter?
  • Wann ist die Krise endlich vorbei?
  • Wie viele Menschen müssen noch sterben?
  • Ich drehe zu Hause durch. Ich will endlich raus.
  • Wie wird sich die Wirtschaft entwickeln?
  • Werde ich in Zukunft meine Rechnungen zahlen können?

Was tun mit den vielen Gedanken, die uns aktuell aufgrund der neuen und herausfordernden Situation beschäftigen? Schreib sie auf! Deine Gedanken aufzuschreiben, kann einerseits helfen diese zu strukturieren, andererseits diese reflektiert zu betrachten. Zusätzlich kann das Aufschreiben eine gute Vorbereitung und Vorab-Analyse deiner Themen für ein mögliches Beratungsgespräch sein.

7. Achterbahn der Gefühle? sprich drüber!

Mann sitz anderem Mann gegenüber bei Psychologischer Beratung in Graz & Bad Tatzmannsdorf (Oberwart)

Über belastende Situationen, Erlebtes, Gefühle und Gedanken zu sprechen, kann erleichternd und entlastend wirken. Sprich mit deinen engen Freunden, deiner Familie oder deiner wichtigsten Bezugsperson darüber. Auch ich bin gerne im Rahmen einer Beratung für dich da, um in einem professionellen Rahmen darüber zu sprechen.

Wenn Menschen negative Emotionen aussprechen, dann dämpft das Denkorgan offenbar Ärger oder Traurigkeit. 

– Der Spiegel – 

8. Veränderung zulassen

Mann schaut in Himmel und atmet erleichtert durch nach Hypnose in Graz

Du kannst die Situation (größtenteils) nicht ändern. Den Umgang mit der Situation jedoch schon. Du fühlst dich ohnmächtig und handlungsunfähig? Alle Emotionen im Rahmen der Krise sind nachvollziehbar und dürfen sein. Du bist nicht alleine damit. Dadurch, dass die aktuelle Corona-Krise nahezu die gesamte Weltbevölkerung betrifft, geht es vielen ähnlich wie dir.

 

Was tun? Grundsätzlich haben wir in dieser Situation (verglichen mit unserem Leben „vor der Krise“) wenig Handlungsspielraum. Wir, als einzelne Person, können das Virus nicht „deaktivieren“ und die Ausbreitung nicht ungeschehen machen. Im ersten Schritt ist also Folgendes wichtig:

1. die situation akzeptieren

Anerkennen, dass die Situation für viele von uns einfach „scheiße“ ist. Scheiß Virus. Scheiß Ausbreitung. Scheiß Ansteckungsgefahr. Scheiß Auswirkungen auf die Wirtschaft. Scheiß Auswirkungen auf unsere Bewegungsfreiheit. Scheiß Einflüsse auf unser Privatleben. Scheiße, dass uns in vielen Punkten dieser Situation die Hände gebunden sind.

Das mal laut auszusprechen kann schon mal beruhigen, entlasten und durchatmen lassen.
Jedoch sind uns nicht zur Gänze die Hände gebunden. Jede:r einzelne kann ihren:seinen Teil dazu beitragen, um die Situation zu verbessern. Somit kommen wir schon zum nächsten Punkt.

2. Handlungsfähig bleiben

Nutze die Möglichkeiten und Chancen, die uns im Rahmen der aktuellen Handlungsfähigkeit noch offen stehen. Zuerst, Maßnahmen der Regierung zur Ausbreitung des Virus einhalten. Dadurch schaust du nicht nur auf dich, sondern auch auf deine Mitmenschen und kannst somit durch deine Handlungen möglicherweise ein schnelleres Ende der Krise bewirken. (= Dein Beitrag gegen das Virus). Wenn du dadurch auch das Leben von Anderen positiv beeinflussen kannst, gibt dir das auch einen möglichen Sinn für deine Handlungen („Ich halte mich an die Maßnahmen gegen die Ausbreitung = Ich rette möglicherweise Leben“).

3. Was kannst du (noch) tun?

Viele setzen ihre Stärken aktuell ein, um einen positiven Beitrag im Rahmen der Krise zu leisten. Forscher entwickeln Impfstoffe und Medikamente. Freiwillige Zivildiener unterstützen im Systembetrieb. Unternehmen gestalten kurzfristig Ihre Geschäftsmodelle um (kurzfristige Produktion von Mund-Nasen-Masken). Talentierte Näher:innen schneidern selbstgestaltete Masken für die Allgemeinheit. Wohltätige Vereine gründen sich, um in verschiedenen Bereichen zu unterstützen.

Was sind deine Stärken? Wie kannst du, in deinem Rahmen der Handlungsfähigkeit, unterstützen? Hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, um von der Ohnmacht wieder in die (Mit-)Gestaltung zu gelangen.

9. Gefühle sprechen lassen anstatt zu verdrängen

Mann spricht in sehr großes Megaphon

Deine Gefühle melden sich immer wieder und du würdest diese am besten abschalten oder verdrängen? Lass sie sprechen und höre was sie dir sagen wollen. 🙂

Stell dir Fragen wie zum Beispiel:

  • Wofür steht dieses Gefühl?
  • Was möchte es mir sagen?
  • Warum ist dieses Gefühl gerade da?
  • Was war der Auslöser?
  • Was würde das Gefühl sagen, wenn es sprechen könnte?

10. Durchhalten: Es wird wieder besser werden

Mann hält Blatt in die Sonne und freut sich nach Hypnose in Graz

Zu guter Letzt: Durchhalten. Auch wenn es momentan noch etwas unrealistisch klingt oder das Ende der Pandemie noch weit in der Ferne liegt. Auch diese Krise wird irgendwann zu Ende gehen. Halten wir durch, versuchen wir aus den aktuellen Situationen zu lernen und gehen wir gestärkt, verändert und mit neuen Erfahrungen aus der Krise in unsere Zukunft. 

Ausblick: Was geht, was bleibt?

Langfristige mentale Auswirkungen von Covid-19: Mit dem Schwerpunkt, welche langfristigen Auswirkungen die aktuelle Corona-Situation auf unsere Psyche haben kann, beschäftige ich mich in einem meiner nächsten Blogs:

  • Wie verändert die Krise unser zukünftiges Leben und Verhalten?
  • Was lernen unsere Kinder über soziale Kontakte im Zeitraum der Krise?
  • Welche Glaubenssätze könnten sich in unserem Unterbewusstsein verankern? (z. B. „Nähe kann tödlich sein.“)
  • Social Distancing: Wie lange wird die soziale Distanz anhalten? Werden wir Angst vor Nähe haben? (Wann) werden wir Nähe wieder zulassen (können)?
  • Was wird das Thema Nähe mit unserer Gesellschaft machen? (Bsp: Nähe in öffentlichen Verkehrsmitteln, Restaurants, Bars, Events)
  • Was passiert mit uns, wenn der Druck und die Anspannung (vor allem bei aktuell besonders geforderten Berufen) nachlässt? Treten Überlastungserscheinungen erst verspätet/verzögert auf?
  • Das Corona-Virus wird (hoffentlich) gehen. Die Trauer über Verstorbene wird jedoch bleiben. Wie gehen wir mit dieser Trauer um?

Unter anderem diesen Fragen werde ich mich in meinem kommenden Artikel zuwenden. Du möchtest diesen nicht verpassen? Melde ich jetzt für den kostenlosen Newsletter an.

Fazit

Es gibt aktuell viele Faktoren (akute Veränderungen im Beruf, Belastungssituationen im Privatleben, belastende Gefühle und Gedanken), die uns beschäftigen können. Für viele dieser Faktoren gibt es Maßnahmen und Handlungsspielräume („Tut-mir-gut“-Notfallplan, neue Routinen, Stärken konstruktiv einsetzen), die viele von uns nutzen können, um diese Zeit mental gut zu überstehen.

Wichtig ist, dass aufkommende und belastende Gedanken und Gefühle wahrgenommen, anerkannt und ein für sich passender Umgang damit gefunden wird (reden mit dem Umfeld oder in einem professionellen Setting, schreiben, Bewegung, kreative Verarbeitung durch Malen oder Musizieren). Schau auf dich – auch mental!

Philipp Werderits sitzt im Garten der Hypnose-Praxis in Graz

Philipp

Werderits, BA

Was mache ich als Psychologischer Berater i.A.u.S.¹?
Ich begleite Menschen in deren persönlichen Entwicklungsprozessen: Durch Gespräche finden wir in belastenden Situationen zu Erleichterung und Entlastung. Durch verschiedene Blickwinkel erarbeiten wir neue Lösungswege für aktuelle Probleme und Herausforderungen. Durch Analyse der eigenen Stärken entfalten wir gemeinsam persönliche Potentiale.

Meine Sicht & meine persönliche Wahrnehmung

Der Inhalt dieses Blogs ist meine persönliche Sicht zu diesem Thema im Rahmen der Corona-Krise. Der Text ist aufgebaut auf meine persönlichen Erfahrungen, meine persönliche Wahrnehmung, aber auch belegtes Fachwissen. Ich freue mich über eine Diskussion mit dir, um inhaltliche Aspekte auch von anderen Blickwinkeln beleuchten zu können.

[1] in Ausbildung unter Supervision

Covid-19 : Wie die Krise auf unsere Psyche wirkt

Psychologische Beratung bei Corona: Arzt hält Blutröhrchen mit Coronavirus Aufschrift

Spätestens seit den vom Bundesministerium ausgerufenen Ausgangsbeschränkungen betrifft der Corona-Virus jede:n Bürger:in Österreichs. Medienberichte konfrontieren uns täglich mit Neuigkeiten zum Virus. Home-Office und Kurzarbeit haben unseren Arbeitsalltag schlagartig verändert. Erkrankungsfälle im näheren Umfeld machen uns Angst. Plötzlich ist alles anders. 

Die gesetzten Maßnahmen des Bundesministeriums bewirken, dass wir körperlich (physisch) möglichst gesund bleiben und das Ansteckungsrisiko mit dem Corona-Virus reduzieren. Was passiert in dieser Krise aber eigentlich mit unserer mentalen (psychischen) Gesundheit? 

  • Mit welchen Veränderungen sind wir plötzlich konfrontiert? 
  • Wie wirkt sich die Situation auf Ängste und Sorgen aus? 
  • Wie gehen wir mit Isolation und „Kontaktverbot“ um? 
  • Wie reagieren wir auf diese plötzliche und allumfassende Veränderung? 

Diesen und weiteren Fragen wird in diesem Blog nachgegangen.

1. Alles ist plötzlich anders.

Egal, ob die plötzlichen Ausgangsbeschränkungen, die ungewohnte Sicherheitsabstand-Pflicht im öffentlichen Raum, die Verlagerung des Arbeitsplatzes vom Büro ins Home-Office, die neuen Rahmenbedingungen in der Kinderbetreuung (Kindergarten und Schule ins Eigenheim verlegt) oder die Veränderung des gewohnten Einkaufs im Supermarkt. Plötzlich dreht sich alles um die Gefahr des Corona-Virus. Nichts ist, wie es vor Kurzem noch war.

2. Bekannte Routine & soziale Kontakte ade!

Zusätzlich zu den oben angeführten Veränderungen fällt von einem auf den anderen Tag ein Großteil unserer Routinen und sozialen Kontakte weg. 

Kein persönliches Treffen der Arbeitskolleg:innen, Studienkolleg:innen, Freund:innen und der Familienangehörigen. Keine Gym-Session mit deinem:r besten Freund:in, keine Kaffeepause mit den Kolleg:innen, kein gemeinsames Sonntags-Familienessen im großen Familienkreis.

Frau nutzt psychologische Online-Beratung in Graz

3. Abstand bitte!

Wir sind es gewohnt, zumindest den Personen in unserem näheren Umfeld, nahe zu sein. Den Geschäftspartner mit Handschlag begrüßen, ein High-Five mit dem besten Freund, ein Bussi links – ein Bussi rechts auf die Wangen der besten Freundin oder Umarmung von den Eltern. Plötzlich wird Nähe für alle Beteiligten zur Gefahr. Gewohnte Nähe, die die meisten von uns von klein auf kennen gelernt und als unbedenklich bzw. positiv verankert haben, ist nicht mehr möglich.

4. Hallo Gefühlswelt!
Mit einer Vielzahl an Gefühlen konfrontiert.

Zusätzlich zu den oben angeführten Veränderungen fällt von einem auf den anderen Tag ein Großteil unserer Routinen und sozialen Kontakte weg. 

Die plötzlich neue und ungewisse Situation kann eine Vielzahl an verschiedenen Gefühlen in uns auslösen. In diesem Abschnitt findest du eine Übersicht möglicher Emotionen und dazugehörige Auslöser.

Überforderung im PRivatleben

Der Krisen-Alltag bringt mich an meine Grenzen.

  • Ungewohnte und neue Arbeits- bzw. Familienzeiten koordinieren
  • 24/7 Kinderbetreuung von zu Hause
  • Unterstützung der pflegebedürftigen Angehörigen
  • Herausforderungen in der Organisation durch infizierte bzw. erkrankte Menschen im eigenen Umfeld
  • Überforderte Lebenspartner:innen im Umfeld

Überforderung im Beruf

Hilfe, ich fühle mich durch die neue Situation überfordert.

  • Plötzlich neue Abläufe
  • Bestehende Arbeitsroutinen werden auf den Kopf gestellt
  • Täglicher Kontakt mit (möglicherweise infizierten) Menschen im Gesundheitswesen oder Handel
  • Ausfall der Kolleg:innen durch Corona-Infektion
  • Höheres Arbeitspensum aufgrund Mitarbeiterausfall und neuer Rahmenbedingungen
  • Umstellung auf Home-Office
Mann ist überfordert

Langeweile

Ich habe plötzlich nichts zu tun und darf auch nicht raus.

  • Betroffenheit von Kurzarbeit oder Jobverlust
  • Abgesagte Vorlesungen an der Uni
  • Wegfall der gewohnten Freizeitaktivitäten
  • Events und Partys abgesagt
  • Treffen der Freunde nicht möglich

Ängste, Sorgen & Unsicherheit

Wie geht’s weiter? Ich habe Angst und mache mir Sorgen.

  • Angst um die eigene Gesundheit: Werde ich die Pandemie überleben?
  • Sorge über die Gesundheit der Kinder, Partner:innen, Eltern und Verwandten
  • Habe ich meine Hände gut gewaschen?
  • Könnte ich jemanden angesteckt haben?
  • Wird sich die Wirtschaft wieder erholen?
  • Wie geht’s in meinem Job weiter?
  • Werden wir in Zukunft genug Geld haben?
  • Kann ich die Kreditraten auch in Zukunft noch bezahlen?
  • Müssen wir unser Eigenheim aufgeben?
  • Habe ich alles richtig gemacht?

Angst ist für das Überleben unverzichtbar.

– Hannah Arendt –

wut

Scheiß Corona! – Zorn auf..

  • das Virus
  • die Situation
  • das System
  • die Ausgangsbeschränkungen
  • den:die Partner:in*
  • Familienmitglieder*

*Sich mit mehreren Personen über längere Zeit auf engerem Raum aufzuhalten (gesamte Familie in kleiner Wohnung, 24/7 mit Partner:in konfrontiert), kann uns an unsere persönlichen Belastungsgrenzen bringen und Konflikte fördern.

Einsamkeit

Hilfe, ich fühle mich so alleine! Vor allem Singles…

  • ohne gewohnte soziale Kontakte zu Freunden
  • ohne gewohnte Dates
  • ohne gewohnten Weg zur Arbeit

Trauer

über eventuell erkrankte oder verstorbene 

  • Freunde
  • Familienmitglieder
  • Arbeitskolleg:innen
  • Personen aus dem Umfeld

Hilflosigkeit & Ohnmacht

Ich kann nichts tun. Kontrollverlust über…

  • das Virus
  • die Erkrankung der Angehörigen
  • den verlorenen Job
  • die Kurzarbeit
  • die Wirtschaft
  • die weltweite Situation

All diese Emotionen sind vollkommen menschlich und dürfen sein. Wichtig ist, hier einen guten Umgang mit den eigenen Gefühlen zu finden.

Traurige Frau hält Hand ins Gesicht

5. Alte Wunden: Das Ungelöste kehrt immer wieder zurück.

Die aktuelle Krise und die damit einhergehenden Umstände können auch dazu führen, nicht verarbeitete Erlebnisse der Vergangenheit zu aktivieren – sprich alte Wunden wieder spürbar zu machen.

Einerseits sind wir durch die Ausgangsbeschränkungen und durch reduzierte soziale Kontakte mehr mit uns selbst konfrontiert. Die Flucht in Aktivitäten ist vielleicht in dem vorhin bekannten Ausmaß nicht mehr möglich. Zusätzlich sind wir durch die Pandemie mit dem Tod konfrontiert. Dabei können innerlich viele Fragen aufkommen:

  • Wo stehe ich im Leben eigentlich?
  • Was habe ich bis jetzt erreicht?
  • Bin ich mit meinem Leben zufrieden?
  • Habe ich mein Leben bis jetzt genossen oder Zeit verschwendet?
  • Wer bin ich? Was will ich erreichen?
  • Wofür will ich meine Lebenszeit nutzen?

Andererseits kann die Situation alte Wunden „aktivieren“. Unverarbeitete, ungelöste Probleme, Konflikte und Themen der eigenen Psyche können plötzlich „anklopfen“:

  • Mobbing aus der Kindheit und Schulzeit
  • Erlebte Gewalterfahrungen
  • Konflikte mit den Eltern
  • Körperlich und psychisch verletzende Erfahrungen

Was tun mit diesen Gefühlen und Gedanken? Erfahre hier mehr darüber.

6. Hallo Alkohol und Essen!

Achtung vor schädigenden Kompensationsstrategien. – Um mit Gefühlen (z. B. Stress) und Situationen (z. B. Krisen) umgehen zu können, hat jede:r von uns im Laufe des Lebens verschiedene und individuelle Bewältigungsstrategien entwickelt, auf die wir in solchen Situationen immer wieder zurückgreifen können. Manche davon sind eher gesunde (z. B. Sport), andere wiederum eher ungesunde (z. B. Konsum von diversen körperlich schädigenden Substanzen).

Im Zeitraum der aktuellen Corona-Krise sind die Möglichkeiten zur Bewältigung der Situation aufgrund vieler Beschränkungen eingeschränkt. Hier besteht die Gefahr, dass wir eher auf Strategien wie Konsum von Alkohol, ungesundem Essen oder anderen Substanzen zurückzugreifen.

Es kann sich gut anfühlen, die aktuellen Sorgen mal mit einem Glas Alkohol zu „betäuben“, die Angst mit einem großen Stück Kuchen „runterzuschlucken“ oder durch den Konsum anderer Substanzen besser durchzuschlafen.

Diese kurzfristigen Lösungen können schnell zur Gewohnheit werden. – Nicht nur für unsere Routine, sondern auch für unseren Körper. Durch die sogenannte Toleranzentwicklung gewöhnt sich der Körper nämlich an die Zufuhr und benötigt laufend größere Mengen, um einen gleichbleibenden Effekt (zB Entspannung) zu erfahren.

?

Du merkst, dass sich dein Konsumverhalten (Essen, Alkohol, TV, Gaming, Shopping etc.) in den letzten Wochen verändert hat?

Red‘ ma drüber. Ein Gespräch über deine aktuelle Situation und deine Gefühle, mit denen du aktuell konfrontiert bist, wirkt oft entlastend und kann Stabilität geben.

7. Ausnahmesituation in systemerhaltenden Berufen

Personen in systemerhaltenden Jobs (Gesundheitswesen, Polizei, Pflege, Handel) sind aktuell besonders gefordert. Einerseits verändern sich nahezu täglich Abläufe:

  • Kapazitätsveränderungen und Quarantäneschließungen im Gesundheitswesen
  • weniger Möglichkeiten für Sicherheitsabstand in der Pflege und Ausfall von Pflegekräften
  • neue Fokusthemen im Exekutivdienst wie zum Beispiel Kontrolle der Maßnahmen seitens der Bundesregierung
  • Plexiglas und Mund-Nasen-Masken im Handel

Andererseits kann der tägliche Kontakt mit Menschen Ängste und Sorgen hervorrufen:

  • Wie groß ist das Risiko, dass ich mich auch anstecke?
  • Wie kann ich die Ansteckungsgefahren für meine Familie und mein privates Umfeld verringern?
  • Wie kann ich trotz der neuen Vorschriften und Gefahren einen guten Job machen?

All diese Herausforderungen können belasten und überfordern.

Genau für diese Berufsgruppen haben meine Kolleg:innen und ich die helferzone.at gegründet.
Du bist ein:e Held:in in einem dieser Berufe? Wir von der helferzone.at sind für dich da. #weilsnetwurschtist

8. Panik durch Medienflut & Fake-News

Täglich, stündlich – teilweise sogar alle paar Minuten – erhalten wir neue Informationen zum Virus. Verschiedene Medien berichten laufend über Zahlen der Erkrankten und der Todesfälle, über wirtschaftliche Auswirkungen und Arbeitslosigkeit. Die einen Quellen etwas sachlicher und seriöser, die anderen etwas emotionaler. Zusätzlich gehen Social Media Kanäle mit verschiedensten Informationen zum Thema Corona-Virus über. Verschwörungstheorien und Fake-News breiten sich rasant aus.

Diese Informationsflut kann uns überfordern. Einerseits kann es für unser Gehirn äußerst anstrengend sein, laufend neue Informationen zu einem beunruhigenden und emotional behaftenden Thema zu verarbeiten. Andererseits erlauben wir unserem Gehirn, unserem Körper und unserer Psyche durch permanenten Medienkonsum kaum Pause.

Die Medienflut kann somit nicht nur überfordern, sondern durch negative Inhalte auch Verwirrung, Verunsicherung oder Panik auslösen.

9. Muss ich sterben? Hilfe, ich bin an Corona erkrankt!

Personen, die an Corona erkrankt sind und dadurch einem strengen Ausgangsverbot unterliegen, sind mit mehreren Themen gleichzeitig konfrontiert. Einerseits das Eigenheim für 2-4 Wochen nicht verlassen zu können, andererseits mit Fragen wie zum Beispiel:

  • Werde ich wieder gesund?
  • Wie wirkt sich der Virus in mir auf meinen Körper aus?
  • Werde ich auch auf der Intensivstation behandelt werden müssen?
  • Wie überlebe ich die nächsten 2-4 Wochen in Quarantäne?
  • Habe ich bereits andere Menschen angesteckt?

Auch mental sehr starke Personen können in dieser Situation an die persönlichen Belastungsgrenzen stoßen: Körperlich geschwächt und zusätzlich verschiedenen Gedanken, Sorgen und Ängsten auf mentaler (psychischer) Ebene ausgesetzt. 

Darüber zu sprechen kann für Entlastung sorgen. Entweder telefonisch mit Familie und Freunden oder in einem professionellen Rahmen. Dadurch kann via Telefon für Erleichterung gesorgt werden, ohne andere zu gefährden. #schauaufdich – auch mental.

10 Tipps um die Corona-Zeit mental besser zu überstehen

Wie können wir mit der Veränderung in der Corona-Zeit bestmöglich umgehen? Was kann uns in diesem Umbruch Halt geben? Erfahre in diesem Blogartikel, mit welchen Tipps du dir trotz Veränderung Stabilität schaffen kannst.

Nahezu alle Krisen lassen sich bewältigen – vorausgesetzt, wir schulen unsere innere Stärke […].

– Siegfried Santura –

Resümee

Die plötzliche Krise hat schlagartig unser Leben verändert. Tägliche Routinen ändern sich oder fallen weg, soziale Kontakte sind nur eingeschränkt möglich und der nötige Sicherheitsabstand verändert die sozialen Kontakte. Diese Veränderungen konfrontieren uns mit einer Vielzahl an Gefühlen. Gefühle, die wir vielleicht bereits aus vergangen Erfahrungen kennen, aber auch Gefühle, die uns vielleicht neu sind. 

Jede:r einzelne von uns versucht die Krise bestmöglich mithilfe eigener Bewältigungsstrategien zu überstehen. Wird hier auf Strategien wie zum Beispiel Alkoholkonsum zurückgegriffen, kann aus dieser aktuellen Krise eine Sucht entstehen. Psychologische Beratung kann dabei helfen, einen guten Umgang mit der Situation bzw. den eigenen Gefühlen zu finden und die innere Stärke zu aktivieren. 

Philipp Werderits sitzt im Garten der Hypnose-Praxis in Graz

Philipp

Werderits, BA

Was mache ich als Psychologischer Berater i.A.u.S.¹?
Ich begleite Menschen in deren persönlichen Entwicklungsprozessen: Durch Gespräche finden wir in belastenden Situationen zu Erleichterung und Entlastung. Durch verschiedene Blickwinkel erarbeiten wir neue Lösungswege für aktuelle Probleme und Herausforderungen. Durch Analyse der eigenen Stärken entfalten wir gemeinsam persönliche Potentiale.

Meine Sicht & meine persönliche Wahrnehmung

Der Inhalt dieses Blogs ist meine persönliche Sicht zu diesem Thema im Rahmen der Corona-Krise. Der Text ist aufgebaut auf meine persönlichen Erfahrungen, meine persönliche Wahrnehmung, aber auch belegtes Fachwissen. Ich freue mich über eine Diskussion mit dir, um inhaltliche Aspekte auch von anderen Blickwinkeln beleuchten zu können.

[1] in Ausbildung unter Supervision